Rippenstruktur: Ohne geht es nicht!
Nachfolgeartikel zum Thema "Schmal, schmäler und noch schmäler" (Link)
Wir wurden auf einen Artikel auf der Webseite des Holsteinzuchtverbandes aufmerksam gemacht. Der Artikel handelt um die Rippenstruktur und wurde von Linear SA verfasst. Die Linear SA macht die LBE bei allen Fleckviehrasse.
Wir fanden, dass die Aussagen des Artikels sehr spannenden sind und wollten Ihnen diese deshalb nicht vorenthalten. Nachfolgend finden Sie den Originalartikel.
Milchcharakter heisst neu Rippenstruktur
(Artikel von der Linear SA, 2021)
Das Merkmal «Milchcharakter» heisst auf Englisch «Angularity» und auf Französisch «Angularité». Beide Begriffe sprechen vom Winkel und erwähnen das Wort «Milch» nicht. Der deutsche Ausdruck hingegen wird vielerorts negativ assoziiert.
Wir stellen in der Praxis häufig fest, dass eine Kuh die viel Milchcharakter haben soll mit einem tiefen BCS, also mit einer eher mageren Kuh, in Verbindung gebracht wird. Die lineare Beschreibung dieses Merkmals bezieht sich aber nur auf die Wölbung und Schräge der Rippen einer Kuh und wird unabhängig vom BCS erfasst. Um diesem Missverständnis entgegen zu wirken hat die Schemakommission Holstein/Red Holstein beschlossen, dieses Merkmal in «Rippenstruktur» umzubenennen.
Im Block Format/Kapazität soll die ideale Kuh neben einer mittleren Grösse, viel Breite und überdurchschnittlicher Tiefe, sowie einer starken Lende eben auch die ideale Form und Struktur des Skeletts aufweisen. Dabei fokussiert sich der internationale Standard des Merkmals «Angularity» vor allem an zwei Dimensionen: Die Wölbung und die Schräge der Rippen. Eine starke Wölbung ist gut erkennbar in der Ansicht von hinten und generiert logischerweise mehr Volumen zur Grundfutteraufnahme. Die Einstufer greifen häufig zwischen die Rippen, um deren Abstand einzuschätzen. Dies ist ein hilfreicher Indikator um auch die Wölbung des Rippenbogens einzuordnen. Denn je gewölbter dieser ist, desto grösser wird auch der Abstand zwischen den einzelnen Rippen. Würde aber einzig die Wölbung betrachtet, so förderte dies nicht die moderne, milchtypische Kuh. Dazu kann man sich eine Mastrasse vor Augen führen und stellt fest, dass auch diese eine starke Rippenwölbung aufweisen, um eben viel Grundfutter aufnehmen zu können. Aus diesem Grund kommt die zweite Dimension dazu: die Schräge der Rippen. Hierbei zeigt die Statistik: je schräger die Rippe gestellt, desto mehr Milch produziert die Kuh im Durchschnitt. In der Summe ergibt dies ein Zuchtziel für dieses Merkmal, welches einen stark gewölbten und schräg gestellten Rippenbogen verlangt.
Die Auswertung für das bisherige Merkmal Milchcharakter spricht eine deutliche Sprache: Je höher die lineare Beschreibung dieses Merkmals ausgefallen ist, desto höher ist im Durchschnitt auch die Milchproduktion! Natürlich gibt es auch Ausnahmen, bei denen Kühe mit einer schlechteren Note für Milchcharakter sehr hohe Leistungen erbringen. Aber diese Ausnahmen gibt es in jedem Merkmal. So finden wir auch Kühe mit klar unterdurchschnittlich gezeichnetem Zentralband, welche nach 100’000kg Lebensleistung das Euter noch immer über dem Sprunggelenk tragen. Die Zuchtziele der einzelnen Merkmale orientieren sich aber immer an der gesamten Population und hier ist die Verbindung zwischen Rippenstruktur und Milchproduktion eindeutig.
Es ist natürlich auch so, dass eine gewisse Korrelation besteht zwischen einer tiefen Beschreibung für Milchcharakter und einem hohen BCS. Im Durchschnitt haben Kühe mit einem schwachen Milchcharakter auch eine unterdurchschnittliche Milchproduktion und haben entsprechend mehr Reserve um Körperfett aufzubauen. Mit einer Korrelation von 0.3 kann aber gesagt werden, dass BCS und Milchcharakter unabhängig voneinander beschrieben wurden. Sehr interessant ist aber die Tatsache, dass Milchcharakter mit Brustbreite leicht positiv korreliert. Dies lässt den klaren Schluss zu, dass Kühe mit einer hohen Note für Milchcharakter überhaupt nicht unterdurchschnittlich breit sind!
Rippenstruktur gibt Volumen und schlussendlich Milch
Nicht nur bei den Holsteiner ist die Rippenstruktur wichtig. Auch für das Braunvieh ist dieses Merkmal von zentraler Bedeutung. Je mehr Rippenwölbung und Schräge eine Kuh hat, desto mehr Körpervolumen hat dieses Tier um genügend Grundfutter aufzunehmen. Dies ist wiederum Voraussetzung für hohe Milchleistungen.
Unsere alten Damen sind der lebende Beweis!
Auffällig ist, dass die allermeisten Kühe mit einer Lebensleistung von 100'000 kg eine sehr gute Rippenstruktur aufweisen. Diese Kühe zeigen die Wichtigkeit der Rippenstruktur für ein langes und produktives Leben eindrücklich auf.
Bildquelle: Braunvieh Schweiz
Bildquelle: Braunvieh Schweiz
Bildquelle: Braunvieh Schweiz
Bildquelle: Braunvieh Schweiz
Bildquelle: Braunvieh Schweiz
Es war nur eine kleine Auswahl von den vielen 100`000er Kühen mit sehr guten Rippenstrukturen. Achten Sie sich bei der nächsten Publikation der 100'000er Kühen im Züchterheft "CHbraunvieh" auf deren Rippenqualitäten.
Ohne Rippenstruktur ist die Enttäuschung vorprogrammiert!
Hat ein Tier eine schlechte Rippenstruktur und dadurch wenig Körpervolumen, dann wird es für das Tier schwierig, um genügend Raufutter aufzunehmen. Diese Tiere können trotz hohen Zuchtwerten die erwarteten Leistungen nicht erbringen oder magern stark ab. Häufig gehen diese Kühe frühzeitig ab.
Hat diese Jungkuh genügend Körpervolumen, um die magische Lebensleistung von 100'000 kg Milch zu erreichen?
Bildquelle: Marcel Wipfli
Eine weitere Kuh mit einer derben Rippenstruktur. Kann ein solches Tier mit wenig Körpervolumen die erwarteten Leistungen erbringen?
Bildquelle: Screenshot Facebook, Rinderzucht Braunvieh
Ein weiteres Tier mit wenig Rippenstruktur.
Bildquelle: Screenshot Facebook, Rinderzucht Braunvieh
Es braucht wieder Stiere mit guter Rippenstruktur!
Wie im Artikel «Schmal, schmäler und noch schmäler» beschrieben, wurden die Braunviehkühe oftmals grösser und schmäler. Nun braucht es Stiere, welche die Kühe nicht nur breiter machen, sondern auch die Rippenstrukturen verbessern. Es braucht breite Stiere mit gewölbten, schrägen und offenen Rippen. Diesbezüglich sind die Stierenhalter- und Züchter gefordert.
Bedauerlicherweise wird das Merkmal "Rippenstruktur" beim Braunvieh in der LBE nicht erfasst. Wer den Stier nicht selbst begutachten kann, soll auf den Triple A-Code achten. Dieser gibt Auskunft über den Skelettbau eines Tieres.
Der Stier Luigi hat einen sehr interessanten Triple A-Code von 351. Gemäss diesem hat Luigi eine offene, gewölbte und schräge Rippenstruktur.
Mehr zur Anpaarungshilfe Triple A finden Sie hier: Link
Anmerkung: Mit diesem Betrag möchten wir niemanden kritisieren oder sogar an den Pranger stellen. Unsere Absicht ist es, dass die Feststellungen der Züchterschaft auf den Tisch gebracht werden. Wir möchten auf gewisse Themen aufmerksam machen, sensibilisieren und Diskussionen anregen.
Unser gemeinsames Ziel muss sein, Fehler zu erkennen, um diese in Zukunft zu vermeiden. Gemeinsam möchten wir die braune Kuh weiterentwickeln und verbessern.
Autor: Thomas Müller, Landwirt & Agronom, SHV-Vorstandsmitglied