Wer sind die wahren Schönheitsköniginnen?
Nachfolgeartikel zum Thema "Schmal, schmäler und noch schmäler" (Link)
Was ist "schön"? Da Schönheit bekanntlich im Auge des Betrachters liegt, ist diese Frage kaum abschließend zu beantworten. Dies ist auch nicht das Ziel dieses Artikels.
Thomas Müller, SHV-Vorstandsmitglied, nahm sich dieser Frage trotzdem an und erläutert dabei auch die Verantwortung der Stierenhalter- und Züchter.
Weshalb gibt es Viehschauen?
Im 19. Jahrhundert nahmen die staatlichen Behörden Einfluss auf die Viehzucht und organisierte Schauen. Das Ziel war es, die Wirtschaftlichkeit der Kühe zu verbessern. In dieser Zeitepoche hatte die Viehwirtschaft eine grosse volkswirtschaftliche Bedeutung. Somit war der Staat interessiert, um die Tierqualität und somit auch die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Ein zentrales Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, waren die Viehschauen.
Die Viehschauen sind wichtige kultureller und gesellschaftlichen Anlässe und gehören für viele Züchter zu den wichtigsten Tagen im Jahr.
Bildquelle: Nadja Oberhofer
"Erfüllen die heutigen Viehschauen ihre ursprüngliche Funktion noch?", fragen sich immer mehr Züchter.
Von den alten Damen lernen!
Auffällig ist, dass viele Kühe mit einer Lebensleistung von 100'000 kg extrem ausgeglichen im Körperbau sind. In den meisten Fällen sind es Tiere mit einem feinen, aber breiten Kopf, welcher viel Ausstrahlung hat. Die meist mittelgroßen Kühe haben auch viel Rippenwölbung und Schräge. Es sind tiefe Tiere mit einem Birnen-förmigen Rumpf und mit einer breiten Brust. Die Sprunggelenke sind breit und trocken und das Becken ist ebenfalls breit.
Eine von vielen äusserst ausgeglichenen 100'000er Kühen
Bildquelle: Braunvieh Schweiz
Stehen die "richtigen" Tiere an den Viehschauen zuvorderst?
Oftmals stehen bei den Viehschauen eher grössere und schmälere Tiere zuvorderst. Diese Tiere weisen augenfällig andere Körperproportionen als unsere alten 100'000er Kühe auf. Dabei stellt sich mancher Züchter die Frage, weshalb genau diese Kühe zuvorderst stehen.
Hat diese Jungkuh den Körper, um die magische Lebensleistung von 100'000 kg Milch zu erreichen?
Bildquelle: Marcel Wipfli
Nicht den Holsteiner nacheifern!
Möglicherweise könnte der Schau-Trend zu diesem grossen & schmalen Kuhtyp von den Holstein-Rasse stammen. Die Holsteinrasse verfolgt den Irrglauben, dass die Kühe möglichst gross und leerfleischig sein müssten. Dies wird vermeintlich als "milchbetont" angepriesen. Oftmals sind es aber Tiere, welche im Verhältnis zur Körpergrösse viel zu schmal sind. Diese Körperproportionen sind nicht mehr funktionell! Diese Kühe sind a.u. anfälliger für das seitliche Ausgleiten der Hintergliedmassen. Fehlende Kapazität für die Futteraufnahme, schlechteres Abkalbeverhalten und schlussendliche kürzere Nutzungsdauer sind nur einige der weiteren Nachteile dieser Tiere.
Sollen so unsere Braunviehrinder aussehen?
Bildquelle: Robert Alder
Die jüngsten Schausiegerinnen deuten auf diesen fraglichen Trend hin.
Bildquelle: gpvonsargans.ch
Ein Kalb, welche an einer Auktion für viel Geld verkauft wurde. Sieht so ein ausgeglichenes Tier aus? Diese Frage soll jeder Züchter für sich selbst beantworten.
Bildquelle: Screenshot Facebook, Rinderzucht Braunvieh
Viehschauen leben von Emotionen. Daher ist es umso wichtiger, dass das Schönheitsideal zielführend definiert wird. Die Emotionen dürfen Züchter nicht dazu verleiten, um fragwürdige Zuchttendenzen nachzueifern. Die Förderung der funktionellen und wirtschaftlichen Kuh muss das Ziel der Viehschauen sein.
Bildquelle: gpvonsargans.ch
Wie kriegt man wieder funktionelle Tiere?
Die Antwort ist sehr banal. Nämlich einfach schauen, wie die alten Kühe, welche über viele Laktationen hohe Leistungen erbracht haben, gebaut sind. Es sind ausgeglichene Tiere ohne extremen Körperausprägungen, welche das Tier negativ beeinträchtigen.
Triple-A, eine wertvolle Anpaarungshilfe
Das Triple-A-System verfolgt das Ziel einer ausgeglichenen und dadurch funktionellen Milchkuh. Diese Anpaarungshilfen arbeitet mit 6 Grundtypen. Die Stiere und die Kühe werden anhand dieser Grundtypen beurteilt und erhalten einen entsprechenden Zahlencode.
Die meisten KB-Stiere besitzen einen solchen aAa-Code. Die Kühe werden ebenfalls anhand dieser 6 Grundtypen beurteilt. Die Kosten sind 70 Fr. (Pauschale) + 7 Fr. pro Kuh.
Ich möchte an dieser Stelle aus Platzgründen das Triple-A-System nicht genauer beschreiben. Für alle, die am Triple-A-System interessiert sind, habe ich nachfolgend ein entsprechendes Webinar verlinkt.
Im Webinar wird das aAa-System ausführlich erklärt. Die Akustik ist am Anfang leider nur mäßig, sie wird aber im Verlauf der Aufzeichnung besser. Dafür sind die Aussagen klar und verständlich.
Webinar: Hier klicken
Kontakt Triple-A-Analyst:
Marc Cranshof
Mail: [email protected]
Telefon: +32 497 03 95 95
Stierenhalter und Züchter in der Verantwortung
Wir Stierenhalter- und Züchter stehen in der Verantwortung, um eine genügend große genetische Vielfalt zu erhalten. Nur mit dieser Vielfalt ist es überhaupt möglich entsprechende Korrekturanpaarungen vorzunehmen. Das TripleA-System sowie unsere tägliche Züchterarbeit lebt von dieser Vielfalt. So die Überzeugung des Autors Thomas Müller.
Anmerkung: Mit diesem Betrag möchten wir niemanden kritisieren oder sogar an den Pranger stellen. Unsere Absicht ist es, dass die Feststellungen der Züchterschaft auf den Tisch gebracht werden. Wir möchten auf gewisse Themen aufmerksam machen, sensibilisieren und Diskussionen anregen.
Unser gemeinsames Ziel muss sein, Fehler zu erkennen, um diese in Zukunft zu vermeiden. Gemeinsam möchten wir die braune Kuh weiterentwickeln und verbessern.
Autor: Thomas Müller, Landwirt & Agronom, SHV-Vorstandsmitglied