Schmal, schmäler und noch schmäler!!!
...und immer weniger Milch
Ein Phänomen, welches von vielen BrownSwiss-Züchter beobachten wurde. Die BrownSwiss-Kuh wurde während den letzten Generationen häufig grösser und schmäler. Gleichzeitig sanken oft die Milchleistungen von Generation zu Generation. Eine Entwicklung, welche vielen Züchtern Sorgen bereitet.
Der Stier Blooming, seine Söhne und seine Grosssöhne waren stark an der Entwicklung zu größeren und schmäleren Tieren beteiligt. Heute haben die Mehrheit der BrownSwiss-Tiere den Stier Blooming im Stammbaum. - Nicht selten sogar mehrfach.
(Bildquelle: Screenshot www.swissgentics.ch)
Kein neues Phänomen!
Die Rasse Guernsey machte vor 50 Jahren einen ähnlichen Fehler.
Quernseys ist eine kanadische Rinderrasse, welche einst in Kanada weit verbreitet war. Heute spielen Quernseys auf den Farmen kaum noch eine Rolle. Eine zu einseitige Zucht war vermutlich mitverantwortlich.
(Bildquelle: Buch "creating balance between form & function", Philip Hasheider)
Die Milchkuhrasse Quernsey… «Guernsey?» Ich nehme an, dass die meisten Züchter noch nie von dieser Rasse gehört haben. Einst war die Rasse Guernsey in Kanada weit verbreitet. Heute spielt die Rasse Guensey in der kanadischen Milchproduktion praktische keine Rolle mehr. Was ist passiert? Es waren sicherlich mehrere Gründe für den Absturz in die Unbedeutsamkeit verantwortlich.
Ein Grund erläuterte der damalige amerikanischen Viehkenner Bill Weeks. In einem Gespräch mit einem Guernsey-Züchter schilderte er ihm seine Feststellungen bezüglich der damaligen Guernsey-Zucht. Dieses Gespräch fand vor rund 50 Jahren statt und wurde im Buch "creating balance between form & function" von Philip Hasheider niedergeschrieben. Thomas Müller (SHV) übersetzte die Aussagen sinngemäss ins Deutsche:
Gespräch des Viehkenners Bill Weeks mit einem Guernsey-Züchter
Ein Guernsey-Züchter beklagte sich bei Bill Weeks, dass ihm die angebotenen KB-Stiere und die Zuchtrichtung, in welche sich die Guernseys entwickeln, nicht passe. Bill Weeks meinte dazu, dass die älteren Guernsey-Kühe noch dem «Kuhschlag» entsprechen, welcher der Züchter bräuchte. Dies seien noch starke und breite Tiere mit viel Kapazität. Gleichzeitig wären dies genau die Kühe, welche auch die Rasse bräuchte, um zu überleben!, so die Ansicht von Weeks.
Der Guernsey-Züchter meinte, dass seine jüngeren Kühe von Stieren mit hohen Zuchtwerten abstammten. Diese Kühe seien für ihn zu schmal geworden. Er könne bestätigen, dass seine breiten, älteren Kühe besser sind als seine Jungkühe. Er fragte sich, wie er wieder den vorherigen Viehschlag mit breiteren Tieren erhalten könne. «Mit den eigenen Stieren aus den älteren starken Kühen züchten!», meinte der Viehkenner Weeks. «Es seien noch genügend starke, breite Kühe für die Zucht vorhanden. Von den schmalen Kühen mit gefirsteten Becken müsste man unbedingt wegkommen», so die Schlussfolgerung von Weeks.
Von den Guernseys lernen
Zur damaligen Zeit wurden die Guernseys meistens in gemischten Herden gehalten. Die Guernseys wurden bezüglich den problemlosen Abkalbungen und ihrer Langlebigkeit geschätzt. Es sind dieselben Eigenschaften, welche das Braunvieh auszeichnet. Leider konnten die Guernseys in den darauffolgenden Jahren mit den anderen Rassen nicht mehr mithalten und wurden verdrängt. Ein möglicher Grund wurde von Weeks geschildert. Es ist wichtig, dass die Lehren aus der Geschichte gezogen werden, damit nicht die gleichen oder ähnlichen Fehler bei der Rasse Brown Swiss gemacht werden.
Obwohl die Geschichte von den Gernseys bereits 50 Jahre her ist, ist sie aktueller denn je. Ein Schicksal, welches auch hinsichtlich der heutigen Braunviehzucht zum Nachdenken anregt.
Mit zu schmalen Tieren, welche zu wenig Kapazität haben und im Becken stark gefirstet sind, droht der BrownSwiss-Rasse das gleiche Schicksal.
(Bild links: Braunvieh Schweiz)
Zuchtfortschritt?
Die Nachkommen wurden von Generation zu Generation häufig grösser und schmäler. Die grösseren und schmäleren Tiere können dabei bezüglich Leistungfähigkeit oftmals bei gleicher Fütterung und Haltung mit ihren Ahnen nicht mehr mithalten. Der Grund liegt dabei an einem nicht mehr funktionellen Körperbau. U.a. fehlt die Kapazität (Körperbreite) um genügend Rauffutter für die Milchproduktion aufzunehmen. Oftmals können zufriedenstellende Leistungen nur noch mit erhöhten Kraftfuttermengen erreicht werden. Sieht so der heutige Zuchtfortschritt aus?
(Bildquelle: Braunvieh Schweiz)
Für hohe Raufutterleistungen und langlebige Kühe braucht es Kühe mit viel Kapazität. Abgebildet ist eine Ribisel-Tochter, welche die Marke von 100'000 kg Lebensleistung erreicht hatte.
(Bildquelle: Braunvieh Schweiz)
Nun sind alle gefordert!
Ob KB-Stationen, der Zuchtverband, die Stierenhalter und vor allem alle Züchter sind jetzt in der Verantwortung. Gemeinsam müssen wir der Extremzucht auf große und schmale Tiere, welche nicht mehr funktionell sind, Gegensteuer geben. Jeder Akteur hat es mit der Auswahl der Zuchttiere selbst in der Hand, in welche Richtung es mit der Rasse gehen soll. Das Beispiel von den Guernseys soll dabei im Hinterkopf behalten werden.
Ähnliche Artikel: Milchcharakter (Link), Beckenbreite (Link)
Anmerkung: Mit diesem Betrag möchten wir niemanden kritisieren oder sogar an den Pranger stellen. Unsere Absicht ist es, dass die Feststellungen der Züchterschaft auf den Tisch gebracht werden. Wir möchten auf gewisse Themen aufmerksam machen, sensibilisieren und Diskussionen anregen.
Unser gemeinsames Ziel muss sein, Fehler zu erkennen, um diese in Zukunft zu vermeiden. Gemeinsam möchten wir die braune Kuh weiterentwickeln und verbessern.
Autor: Thomas Müller, Landwirt & Agronom, SHV-Vorstandsmitglied
Anhang: